Weiden. Das Landgericht Weiden hat Eltern ein Schmerzensgeld von 500.000 Euro zugesprochen. Nach ärztlichen Fehlern bei der Geburt ist einer ihrer Zwillinge schwerst behindert.
Es handelt sich um eine Rekordsumme. An einen höheren Betrag in einem Arzthaftungsprozess kann sich Landgerichtssprecher Matthias Bauer nicht erinnern. Die Höhe von einer halben Million Euro sei auch bedingt durch das kindliche Alter der Klägerin. Das Mädchen ist fünf Jahre alt. „Es hat sein Leben noch vor sich.“
Die Richter der 1. Zivilkammer mit Vizepräsident Josef Hartwig und den Richtern Thomas Hys und Christine Schlegel gingen sogar noch einen Schritt weiter: Sollten bei dem Mädchen noch weitere materielle und immaterielle Schäden entstehen, löst dies weitere Ansprüche aus.
Anwalt Christoph Scharf, der das Kind und seine Eltern vertritt, ist froh über das Urteil des Landgerichts Weiden: „ein hundertprozentiger Sieg.“ Die Eltern und er seien froh, dass nach dieser langen Zeit jedenfalls in erster Instanz abgeschlossen werden konnte. Mit dem Schmerzensgeld erfolge eine angemessene Kompensation des Leides von Ella. „Auch wenn sie davon nicht gesund wird. Dies lässt sich leider durch ein solches Verfahren niemals erreichen.“
Notkaiserschnitt zu spät erfolgt
Die Zwillinge waren im Juni 2017 im Klinikum Weiden geboren worden. Trotz Komplikationen bei einem der Babys ab 20 Uhr entschieden sich die zuständigen Ärzte erst gegen 22.23 Uhr zu einer Notsectio. Das Mädchen erlitt einen schweren Sauerstoffmangel. Es kann nicht sitzen, nicht gehen und spricht im Alter von fünf Jahren 30 Worte. Dazu kam Epilepsie. Das Mädchen wird nie ein eigenständiges Leben führen können. Der Bruder ist kerngesund.
Die Kammer ist nach der Beweisaufnahme davon überzeugt, dass die Beeinträchtigungen aufgrund von Behandlungsfehlern entstanden sind. Das Gericht stützt sein Urteil auf drei Gutachter. Demnach hätte der Notkaiserschnitt viel eher erfolgen müssen, in jedem Fall aber 20 Minuten früher. Zu diesem Zeitpunkt, um 22 Uhr, war es zu einer lebensbedrohlichen Plazentalösung gekommen, eindeutig erkennbar durch starken Blutverlust. Ab diesem Moment bekam das Kind keinen Sauerstoff mehr. „Dass man nicht sofort die Notsectio einleitete, stellt einen groben Behandlungsfehler dar.“
Für das Gericht fällt zudem schwerwiegend ins Gewicht, „dass die Klägerin ohne eine Hoffnung auf Besserung unter den gravierenden gesundheitlichen Beeinträchtigungen dauerhaft sehr schwer zu leiden hat“. Daher halte man die Höhe von 500.000 Euro für angemessen.
Berufung zum Oberlandesgericht möglich
Die Kliniken Nordoberpfalz, vertreten durch ihre Prozessbevollmächtigten Brünnig, Michler und Blay, können noch Berufung zum Oberlandesgericht Nürnberg einlegen. Letztlich liegt die Entscheidung bei der Versicherung. Die betreffenden Ärzte arbeiten nicht mehr im Klinikum.