Trennungsjahr als Voraussetzung für die Scheidung
Im Jahr 2023 betrug die Scheidungsrate von Ehen in Deutschland ca. 36%. Dies bedeutet, dass auf 3 Eheschließungen rechnerisch ca. eine Scheidung kam. Die durchschnittliche Ehedauer bis zur Scheidung betrug in Deutschland 14,8 Jahre. Häufig werden demnach Ehen geschieden, auch wenn im Jahr 2023 der niedrigste Stand an Ehescheidungen seit der Deutschen Vereinigung im Jahr 1990 erreicht worden ist.
Die Trennung ist das Ende der ehelichen Lebensgemeinschaft, doch wie geht es weiter bis zur Scheidung? Voraussetzung für die Scheidung ist, dass die Eheleute mindestens ein Jahr von einander getrennt leben. Dies bedeutet, dass die Eheleute von Bett und Tisch getrennt leben, also keine häusliche Gemeinschaft und Haushaltsführung mehr bestehen, die Eheleute keine intime Beziehung mehr führen und auch gegenseitig keine Versorgungsleistung mehr erbringen. Versorgungsleistungen sind z.B. füreinander Einkaufen, Wäsche waschen oder kochen. Diese Trennung von Bett und Tisch muss jedoch nicht zwangsläufig durch einen Auszug eines der Ehepartner erfolgen. Eine Trennung kann auch in der Ehewohnung stattfinden. Häufig ist zu beobachten, dass Ehepaare auch nach der Trennung ihren Kindern zuliebe noch im selben Hause leben, auch Einkäufe füreinander erledigen und freundschaftlich miteinander umgehen. Häufig wurde in derartigen Fällen jedoch von den Gerichten angenommen, dass dann noch keine tatsächliche Trennung erfolgt ist. Relevant wird dieser Punkt, wann denn tatsächlich die Trennung in der Ehewohnung stattgefunden hat, wenn im Streitfall die Frage zu klären ist, ob das Trennungsjahr bereits abgelaufen ist oder wann der richtige Stichtag für die Berechnung von Zugewinnausgleichsansprüchen zum Trennungsvermögen anzusetzen ist.
Das OLG Frankfurt am Main hat nun in einer Entscheidung aus März 2024 die Voraussetzungen für ein Getrenntleben der Eheleute trotz einer gemeinsamen Wohnung konkretisiert. Hierzu führt es aus, für ein Getrenntleben der Eheleute genügt im objektiven Sinne ein der räumlichen Situation entsprechendes Höchstmaß der Trennung, was zum Einen danach verlangt, dass die Eheleute (innerhalb der Ehewohnung) getrennt wohnen und schlafen, mithin das Getrenntleben auch nach Außen erkennbar wird. Zum Anderen erfordert dies, dass die Eheleute keinen gemeinsamen Haushalt mehr führen und keine wesentlichen persönlichen Beziehungen mehr bestehen. Verbleibende Gemeinsamkeiten müssen sich in der Gesamtbetrachtung als unwesentlich für das eheliche Zusammenleben darstellen, so dass vereinzelt verbleibende Versorgungsleistungen bzw. Handreichungen der Ehegatten füreinander ohne besondere Intensität oder Regelmäßigkeit ein Getrenntleben nicht hindern. Auch steht nach der Auffassung des OLG Frankfurt ein freundschaftlicher, anständiger und vernünftiger Umgang der Ehegatten der Annahme eines Getrenntlebens im objektiven Sinn nicht entgegen. Hierzu vertritt das OLG die Auffassung, dass dies insbesondere dann gilt, wenn gemeinsame Kinder im Haushalt leben. Denn auch nach der Trennung bleiben die Ehegatten über die Elterneigenschaft miteinander verbunden und sind zum Wohle ihrer Kinder zum Wohlverhalten verpflichtet. Ob und wie die gemeinsamen Kinder die Trennung der Eltern verarbeiten können, wird häufig maßgeblich davon geprägt sein, wie die Ehegatten sich zueinander verhalten. Vor diesem Hintergrund stehen insbesondere ein höfliches Miteinander und gemeinsame Mahlzeiten mit den Kindern der Annahme eines Getrenntlebens gerade nicht entgegen.
In Deutschland gibt es keine offizielle Stelle, bei der eine Trennung angezeigt werden kann oder muss. Wird die Trennung in der Ehewohnung vollzogen, empfiehlt es sich daher zur Vermeidung späterer Streitigkeiten den Trennungswillen und die erfolgte Trennung zu dokumentieren, wenn die Ehegatten weiterhin die Ehewohnung gemeinsam bewohnen. Hierzu kann beispielsweise eine WhatsApp oder auch E-Mail genügen, aus der sich eindeutig und unmissverständlich ergibt, dass die Trennung innerhalb der Ehewohnung vollzogen wird. Die Eheleute könnten ebenso wechselseitig ein entsprechendes Schriftstück unterzeichnen, mit welchem gegenseitig die Trennung bestätigt wird. Ebenso kann auch das Schreiben eines Rechtsanwaltes an den anderen Ehepartner die Trennung dokumentieren, mit dem zugleich die getroffenen Absprachen der Ehepartner und Verhaltensweisen bis zum Auszug des einen oder anderen Ehepartners aus der Ehewohnung fixiert werden.
Rechtsanwalt Christoph Scharf
auch Fachanwalt für Medizinrecht
Veröffentlicht am 14. / 15.12.2024 ,,Der Neue Tag“ Oberpfalzmedien