Weiden. Den nachhaltigen Eindruck, dass Rauschgift kein Spaß ist, erhielt eine Schulklasse, die im Rahmen des Sozialkundeunterrichts einen Prozess am Weidener Amtsgericht beobachteten. Die Botschaft: Auch bei einer Bewährungsstrafe ist man einschlägig vorbestraft.
Von Martin Stangl
Um ein Haar redete sich der 30-jährige Mann aus dem Landkreis Neustadt um Kopf und Kragen. Sein Verteidiger Christoph Scharf, der sichtbar in seinem Stuhl zusammensank, bat das Schöffengericht unter Vorsitz von Hubert Windisch um eine Unterbrechung der Sitzung. Grund waren missverständliche Äußerungen seines Mandanten, die Staatsanwalt Christoph-Alexander May beinahe in helle Aufregung versetzten.
Rechtsgespräch stellt Bewährungsstrafe in Aussicht
Zu Beginn der Verhandlung verlas Staatsanwalt May die Anklageschrift. Darin warf er dem Angeklagten vor, in mindestens fünf Fällen Rauschgift erworben zu haben. Teilweise in erheblichen Mengen, was das Strafmaß erheblich beeinflussen kann.
Im Anschluss an das Rechtsgespräch zwischen Gericht, Staatsanwaltschaft und Strafverteidigung wurde dem Mann bei einem umfassenden Geständnis eine Bewährungsstrafe in Aussicht gestellt.
Rauschgiftkonsum begann mit persönlicher Krise
Die Aussicht auf eine Bewährungsstrafe veranlasste den Mann zu einer umfassenden „Beichte“ vor Gericht. Sein Rauschgiftkonsum begann 2016 mit der Krebserkrankung seiner inzwischen verstorbenen Mutter. Er berichtete von Depressionen, die er mit dem Rauchen von Marihuana und Haschisch selbst behandelte.
„Niemand hat das bemerkt und mir ging es wieder richtig gut“, so seine Einschätzung. Nach seiner Erinnerung rauchte er am Tag drei bis vier Gramm der berauschenden Substanzen. Das erklärt auch die Bevorratung von Rauschgift in nicht unerheblichem Maße. „Es war für mich Medizin!“
Beinahe um Kopf und Kragen geredet
In seinem Bemühen, ein lückenloses Geständnis abzulegen, bekannte der Angeklagte, weiterhin Drogen zu konsumieren und schilderte ausführlich, dass er damit seine Leistungsfähigkeit als Mitarbeiter im Einzelhandel wieder hergestellt habe und diese auch stabil geblieben sei.
Erst als sein Strafverteidiger den Angeklagten dazu brachte, aufzuklären, dass die Ersatzsubstanz als legales Mittel in einschlägigen Geschäften frei verkäuflich ist, entspannten sich bei allen Prozessbeteiligten sichtbar die Gesichtszüge.
Schwester verursachte die Ermittlungen
Der in den Zeugenstand gerufene Kriminalbeamte berichtete, dass ein Anruf der Schwester bei der Polizei die Ermittlungen ins Rollen brachte. Die Observierung eines zwecks Drogenerwerbs angemieteten Leihautos und die Überwachung des Mobiltelefons ihres Bruders brachten den Nachweis eines umfangreichen Drogenkaufs.
Bei der anschließenden Wohnungsdurchsuchung verhielt sich der Angeklagte kooperativ, was ihm letztendlich Pluspunkte bei der Strafforderung der Staatsanwaltschaft einbrachte.
Bewährungsstrafe und Sozialstunden
Richter Windisch und seine beiden Schöffen blieben mit der Verhängung einer Freiheitsstrafe von einem Jahr einen Monat unter der Forderung von Staatsanwalt May. Aufgrund der positiven Sozialprognose wurde die Strafe auf drei Jahre zur Bewährung ausgesetzt.
Dankbar nahm der Mann das Angebot an, dass ihm ein Bewährungshelfer zur Seite gestellt wird. Aufgrund seiner Schulden sah das Gericht von einer Geldauflage ab, verurteilt ihn aber zur Ableistung von 60 Sozialstunden.
Hoffnungen am Ende
Am Ende des Prozesses bleiben zwei Hoffnungen. Zum einen bleibt zu hoffen, dass der Angeklagte den Weg in ein Leben ohne Rauschgift zurückfindet. Zum anderen ist zu hoffen, dass die hospitierenden Schüler erkannt haben, dass selbst die sogenannten „weichen“ Drogen keine Hilfe bei psychischen Problemen darstellen und in der Regel zur Strafverfolgung führen.
Im Anschluss an die Gerichtsverhandlung beantwortete Hubert Windisch der Klasse geduldig Fragen.
Veröffentlicht am 07.07.2023 „Oberpfalz Echo“, Martin Stangl
Kurzer Prozess: Bewährungsstrafe wegen Erwerbs und Besitzes von Rauschgift