Die Einflussnahme auf den Erblasser kann zur Anfechtbarkeit führen
Erbstreitigkeiten nach dem Tod des Erblassers sind keine Seltenheit. Die Streitigkeiten beginnen häufig schon zu Lebzeiten des potenziellen Erblassers. In der anwaltlichen Praxis ist es immer wieder zu beobachten, dass noch zu Lebzeiten Angehörige oder auch Freunde um die Gunst des Erblassers buhlen und versuchen, Einfluss auf den „letzten Willen“ zu nehmen. Besonders deutlich wird diese Einflussnahme, wenn in kurzer Zeit verschiedene Testamente erstellt werden, bei denen immer wieder andere Personen als Erben eingesetzt sind. Der Erblasser kann so oft wie er mag ein Testament erstellen und ein bereits erstelltes widerrufen. Dies kann dazu führen, dass Dritte auf den Willen des Erblassers Einfluss nehmen und ihn dazu bewegen zu seinen Gunsten zu testieren.
Spätestens nach Eintritt des Todesfall sind dann die Auseinandersetzungen zwischen den Erben und Enterbten vorprogrammiert, wenn verschiedene Testamente erstellt worden sind. Grundsätzlich gilt die zuletzt angeordnete Erbeinsetzung in einem Testament als bindend. Eine letztwillige Verfügung / ein Testament ist jedoch nichtig, wenn der Erblasser zum Zeitpunkt der Errichtung testierunfähig war. Dies setzt voraus, dass aufgrund krankhafter Störung der Geistestätigkeit wegen Geistesschwäche oder wegen Bewusstseinsstörung die nötige Einsichts- und Handlungsfähigkeit nicht gegeben war. Testierunfähig ist derjenige, der nicht in der Lage ist, sich über die für und gegen die sittliche Berechtigung seiner letztwilligen Verfügung sprechenden Gründe ein klares, von krankhaften Einflüssen nicht gestörtes Urteil zu bilden und nach diesem Urteil frei von Einflüssen etwaiger interessierter Dritter zu handeln.
Steht der Erblasser bei der Erstellung des Testaments also unter erheblichem Einfluss eines Dritten, so kann es an der Willensfreiheit des Testierenden fehlen, was wiederum die Nichtigkeit des Testaments und damit der Erbeinsetzung zur Folge hat. An dieser freien Willensbestimmung fehlt es nach der Rechtsprechung dann, wenn Einflüsse dritter Personen den Willen des Erklärenden derart übermäßig beherrschen, dass eine Bestimmbarkeit des eigenen Willens durch vernünftige Erwägungen ausgeschlossen ist, der Verfasser also nicht mehr in der Lage ist, kritisches Abwägen oder eigenständige Gegenvorstellungen anzubringen. In solchen Fällen ist es möglich, dass ein potenzieller Erbe eine letztwillige Verfügung erfolgreich anficht, die seine Erbenstellung beeinträchtigt. Die Beweis- und Feststellungslast für eine Testierunfähigkeit trägt jedoch derjenige, der sich dabei auf die Testierunfähigkeit beruft. Bloße Mutmaßung und Verdächtigungen und die Aussage, es gäbe für eine Testamentsänderung keine rationale Erklärung reichen grundsätzlich nicht aus.
Folgt der Testierende lediglich in vollem Vertrauen den Vorschlägen eines Dritten ohne weitere Nachprüfung, aber bewusst und kraft eigenen Beschlusses oder sind die Vorschläge, Forderungen oder Erwartungen des Dritten bloßes Motiv für den Inhalt des Testaments, so fehlt es grundsätzlich nicht an einer eigenen Willensentscheidung des Erblassers.
Hat der Erblasser mehrere Testamente erstellt, bei denen sich die Erbeinsetzung geändert hat, lohnt es sich für denjenigen, der übergangen wurde, genau hinzuschauen, wodurch der Erblasser für sein Handeln motiviert worden sein kann, ebenso, ob zu dem Zeitpunkt Schwächen in der Willensbildung festzustellen waren. Ergeben sich eine Vielzahl von Indizien, besser noch Beweismitteln, dass ein Dritter massiv auf den Erblasser eingewirkt und diesen so stark beeinflusst hat, dass die Willensfreiheit beeinträchtigt war, soll geprüft werden, welche Möglichkeiten es für eine Anfechtung des Testamentes es gibt und wie hoch die Erfolgschancen unter Berücksichtigung der Beweislast tatsächlich sind.
Rechtsanwalt Christoph Scharf
auch Fachanwalt für Medizinrecht
Veröffentlicht am 17. / 18.02.2024 „Der Neue Tag“ Oberpfalzmedien