Europäischer Gerichtshof stärkt Rechte von Verbrauchern
Regelmäßig setzen sich die Gerichte mit Rückabwicklungen von Darlehensverträgen auseinander. Europarechtliche Richtlinien stärken den Schutz des Verbrauchers. Finanzierungsverträge sollen möglichst transparent sein. Dem Verbraucher steht regulär eine Widerrufsfrist von Finanzierungsverträgen innerhalb von 14 Tagen zu. Enthält der Kreditvertrag jedoch nicht alle gesetzlich vorgeschriebenen Pflichtangaben und/oder enthält die Widerrufsbelehrung Fehler, beginnt die 14-tägige Widerrufsfrist nicht zu laufen. Verträge können dann unter Umständen auch noch Jahre nach dem Fahrzeugkauf und Abschluss des Finanzierungsvertrages widerrufen werden, was zu erheblichen finanziellen Vorteilen auf Seiten des Verbrauchers führen kann.
In der Rechtsprechung ist stark umstritten, welche Fehler als so gravierend anzusehen sind, daraus zu folgern, dass die 14-tägige Widerrufsfrist auch Monate und Jahre nach Vertragsabschluss noch nicht zu laufen begonnen hat, sodass der Verbraucher seinen „Widerrufsjoker“ ziehen kann.
Schon in der Vergangenheit mussten sich der Bundesgerichtshof (BGH) aber auch der Europäische Gerichtshof (EuGH) mit verschiedenen Fragen im Zusammenhang mit Fehlern in Widerrufsbelehrungen und Kreditverträgen auseinandersetzen. Obgleich der EuGH bereits im Jahr 2016 zugunsten der Verbraucher urteilte, setzte der BGH diese Rechtsprechung nicht um. Er vertrat die Auffassung, die Vorgaben des EuGH würden dem nationalen deutschen Recht entgegenstehen. In mehreren Verfahren u. a. gegen die Volkswagenbank, die Skoda-Bank und die BMW-Bank gelangten nun nach Vorlage des LG Ravensburg weitere Fragen zum EuGH. Der EuGH urteilte nun am 09.09.2021 zugunsten der Verbraucher. Er stellte fest, dass nach europarechtlichen Vorgaben die Ausübung eines Widerrufs auch noch nach Jahren möglich ist, weil die Autobanken ihre Kunden beim Abschluss der Kreditverträge nur unzureichend über die Rechtslage informiert haben. Mit der Entscheidung monierten die Richter des EuGH ungenaue Angaben in den Kreditverträgen. So müssen die Verzugszinsen in Form eines konkreten Prozentsatzes angegeben sein. Für die Anpassung des Zinssatzes sei zudem der reine Verweis auf die Änderung des von der Zentralbank festgelegten Basiszinssatzes nicht allein ausreichend. Auch die Höhe der im Falle einer vorzeitigen Ablösung fälligen Entschädigung muss für einen Verbraucher in „leicht nachvollziehbarer Weise“ angegeben sein, heißt es in der Entscheidung des EuGH. Auch, so der EuGH, dürfe sich der Kreditgeber in diesen Fällen nicht auf den Einwand der Verwirkung berufen, wenn der Widerruf erst nach vielen Jahren erfolgt.
Damit gilt nach der aktuellen Entscheidung des EuGH, dass eine Vielzahl von Kreditverträgen, insbesondere der Autobanken, fehlerhaft sind und ein Widerruf heute noch möglich ist. Die Fehler sollen sich in Verbraucherkreditverträgen seit dem Jahr 2010 befinden.
ABER: Unklar ist, wie das höchste deutsche Gericht, der BGH, auf die Entscheidung des EuGH reagiert. Dieser hatte sich in der Vergangenheit mit einigen der aufgeworfenen Vorlagefragen auseinandergesetzt. Er vertrat teilweise die Auffassung, er müsse sich an den Gesetzeswortlaut des nationalen Rechts halten, da andernfalls ein Verfassungsverstoß anzunehmen sei. Erst in der Zukunft wird sich daher zeigen, nachdem die Instanzgerichte nun in ähnlich gelagerten Fällen zu entscheiden haben, wie sich die Rechtsprechung entwickelt und ob der BGH seine bisherige Auffassung ändert.
Unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des EuGH ist jedenfalls anzunehmen, dass eine Vielzahl von Autokreditverträgen fehlerhaft sind und der Widerruf noch nach Monaten und Jahren möglich sein kann, also auch heute noch.