Hohe Hürden für den Entzug des gesetzlichen Pflichtteils
Der Gesetzgeber garantiert den nächsten Angehörigen des Erblassers über das Pflichtteilsrecht eine Mindestteilhabe am Nachlass. Häufig äußern Erblasser den Wunsch unliebsamen Kindern auch diesen Pflichtteil zu entziehen. Um auch den Pflichtteil vorzuenthalten, muss der Pflichtteil entzogen werden. Die Anforderungen an eine Pflichtteilsentziehung sind jedoch sehr hoch. Es ist zunächst erforderlich, dass ein Pflichtteilsentziehungsgrund vorliegt. Erforderlich ist das Vorliegen eines anerkannten Grundes, was schwere Verfehlungen nach § 2333 BGB voraussetzt. Als schwere Verfehlungen nennt der Gesetzgeber beispielsweise, dass das Kind den ernsthaften Willen hat, den Erblasser, oder eine dem Erblasser nahestehende Person zu töten. Weiter kommt eine Pflichtteilsentziehung in Betracht, wenn sich der Berechtigte wegen eines Verbrechens oder eines schweren vorsätzlichen Vergehens gegen den Erblasser oder ihm nahestehende Person schuldig gemacht hat, er Unterhaltspflichten gegenüber dem Erblasser böswillig verletzt hat oder auch wenn er wegen einer vorsätzlichen Straftat zu einer Freiheitsstrafe von mehr als 1 Jahr ohne Bewährung verurteilt wurde und die Teilhabe am Nachlass deshalb für den Erblasser unzumutbar ist.
Doch die Hürden sind tatsächlich hoch, um den Pflichtteil wirksam entziehen zu können. Nach einer Entscheidung des Landgerichts Frankenthal war es nicht ausreichend, dass ein Sohn seine Mutter zuvor 1 Jahr lang mehrfach geschlagen hatte, die hierbei Schädelprellungen erlitt, um eine Pflichtteilsentziehung zu rechtfertigen. Wenn es möglich und denkbar ist, dass sich die Körperverletzung bei einem spontanen Streit oder im Affekt zugetragen hat, rechtfertigt dies nicht die Annahme eines „schweren Vergehens“ und damit die Entziehung.
Erforderlich ist es weiter, dass im Testament, in dem der Pflichtteil entzogen wird, konkret festgehalten wird, welche Hintergründe beispielsweise zu einer Auseinandersetzung geführt haben und welche Folgen diese Auseinandersetzungen hatten. § 2336 BGB regelt hierzu, dass der Entziehungsgrund zur Zeit der Errichtung des Testaments bestehen und dort angegeben werden muss, bei einer Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe von mindestens 1 Jahr zusätzlich anzugeben ist, warum eine Beteiligung am Nachlass für den Erblasser unzumutbar ist. Beweisbelastet für das Vorliegen der Entziehungsgründe ist derjenige, der die Entziehung geltend macht, üblicherweise somit der Erbe nach dem Tod des Erblassers.
Gerade weil die Hürden sehr hoch sind und nach Zeitablauf durch die Erben vielleicht sogar Probleme bestehen den Entziehungsgrund zu beweisen, kann schon zu Lebzeiten des Erblassers eine Klärung herbeigeführt werden. Im Rahmen einer solchen Feststellungsklage prüft das Gericht, ob die Pflichtteilsentziehung wirksam oder unwirksam ist. Wird rechtskräftig festgestellt, dass die Pflichtteilsentziehung wirksam ist, so können die Erben sich später auf diese Feststellung berufen und dem Pflichtteilsberechtigten die Entscheidung entgegenhalten.
Gleichwohl bleibt dem Erblasser die Möglichkeit dem Pflichtteilsberechtigten zu verzeihen, wodurch die Entziehung des Pflichtteils unwirksam wird.
Christoph Scharf
Rechtsanwalt
auch Fachanwalt für Medizinrecht
Veröffentlicht am 14.02.2025 / 15.02.2024 ,,Der neue Tag“ Oberpfalzmedien